Freitag, 20. Januar 2012

Was ist Realität?

Woher kommt überhaupt die "Idee" dass es eine Realtität gibt?

Man stellt zunächst einmal gewisse Phänomene fest.

Da gibt es das Phänomen der (eigenen) Gedanken.
Es gibt so etwas wie Sinneswahrnehmungen.
Es gibt Erinnerungen.

Die Sinneswahrnehmungen werden sofort interpretiert.
Man kann jedoch nicht ausschließen, dass es sich dabei z.B. nur um einen Traum oder eine Halluzination handelt.

Somit muss man bei der "wahrgenommenen Realität" bereits einige Annahmen machen, wenn man an sie glauben will.

Viel elementarer erschließt sich die "eigene Existenz".
Wenn da Gedanken und Wahrnehmungsphänomene sind, dann scheint da offensichtlich etwas zu sein, dem dies zuzuordnen ist.
Descartes machte daher die berühmte Schlussfolgerung "Ich denke also bin ich."

Allerdings unterstellt man bei dieser Schlussfolgerung bereits die Existenz von Logik. Denn ohne Logik könnte man keine Schlussfolgerung machen. Logik wiederum unterstellt die Existenz der Konzepte "wahr" und "falsch". Im Prinzip haben wir es bei der Logik mit einer Teilmenge aus der Mathematik zu tun. Rein gedanklich betreibt man also bereits bei sowas Mathematik. Mathematik muss somit sogar als fundamentaler existent angesehen werden als die physikalische Welt, die sich nur über Wahrnehmungsphänomene und anschließende Interpretationen uns erschließt.

Es ist daher zum Beispiel rational, die Existenz des Kölner Doms mehr anzuzweifeln als die Existenz der Zahl 3.

Wenn wir Naturwissenschaft betreiben, versuchen wir im Prinzip eine Systematik in unseren Wahrnehmungsphänomenen zu finden.
Wir suchen nach Modellen, mit denen wir die Komplexitität der wahrgenommenen Welt auf möglichst wenige Strukturen (Gleichungen, Teilchen...) zurückführen können.
Tatsächlich war der Mensch bei dieser Suche bisher sehr erfolgreich.
Eine wichtige Erkenntnis dabei war, dass er selbst nicht nur Beobachter ist sondern Teil der Natur, die er wahrnimmt.
Er selbst lässt sich reduzieren auf wenige Strukturen, die sonst in der Natur ganz häufig vorkommen.
Diese Reduktion ist jedoch noch nicht abgeschlossen.
Eine große Streitfrage ist, ob das Bewusstsein ein reines Naturphänomen ist oder ob es doch eine unüberwindbare Kluft zwischen Beobachter und Natur gibt.
Die Wissenschaft stellt fest, dass Bewusstseinsphänome und physikalische Prozesse im Gehirn stark korrelieren.
Daher geht man heute davon aus, dass auch die Bewusstseinsphänomene rein physikalisch erklärt werden können.
Man geht aber sogar von viel mehr aus. Man meint nicht nur, dass man Bewusstsein einmal physikalisch erklären kann. Man unterstellt typischerweise sogar, dass bestimmte physikalischen Prozesse im Gehirn und die Bewusstseinsphänomene ein und dasselbe sind.
Die physikalische Beschreibung des Bewusstseinsphänomens ist mit dem Bewusstseinsphänomen daher zu identifizieren.
In der Philosophie nennt man das Identitätstheorie.
http://de.wikipedia.org/wiki/Identit%C3 ... es_Geistes)

Warum macht man das? Weil es für die Annahme, dass man diese Dinge trennen müsse, keine Evidenz gibt. Wenn beide Dinge in allen Merkmalen in einer 1:1 Korrelation stehen, ist das einfachste logisch konsistente Modell, diese Dinge zu identifizieren.

Bewusstsein würde dann vollkommen auf Physik reduziert werden können.

Aber die Physik ihrerseits wird ja in Form von Gedanken beschrieben. Mathematische Gleichungen. Zustände, die durch Zahlen beschrieben werden.

Somit wird die Natur letztlich vollkommen auf Mathematik reduziert.

Und hier kommt nun "meine Philosophie" ins Spiel.
Geht man davon aus, dass die Physik sich einmal vollständig mathematisch beschreiben lässt, müssen wir mit der gleichen Logik wie bei der Identitätstheorie des Bewusstseins die Physik mit der mathematischen Beschreibung der Physik identifizieren.
Wir hätten ja eine 1:1 Korrelation zwischen mathematischem Modell der Natur und der Natur. Dann ist es rational, nicht anzunehmen, dass man zwischen diesen Dingen trennen müsse.

Dann wiederum ist das ganze Universum mit samt seinen bewussten Beobachtern nichts anderes als eine Teilstruktur in der großen Welt der Mathematik. Die Teilstruktur wiederum kann man 1:1 in eine Zahl kodieren. Vergleichbar damit, dass man jede Bildsequenz eines Videos als Zahl kodieren kann.

Dann jedoch ist das gesamte Universum mit all seinen Menschen nichts weiter als eine gigantische Zahl.
Diese Zahl ist jedoch vollkommen zeitlos. Sie enthält selbst die Beschreibung des Phänomens "Zeit", weil sie jedes physikalische Phänomen dieses Universums enthält.

Aus dem Satz "Ich denke also bin ich" folgt, dass ich zuvor die Annahme mache, dass überhaupt Logik und somit Mathematik existiert.

Mit der Annahme, dass die physikalische Welt auf Mathematik reduziert werden kann
und mit der Annahme, dass das Bewusstsein auf Physik reduziert werden kann
folgt dann, dass man zeitlos in der Welt der Mathematik existiert.

Ganz konkret muss es eine Zahl geben, von der man selbst eine Teilstruktur ist.

Entsprechend ist jede vergangene und zukünftige Instanz der eigenen Person in dieser Zahl enthalten. Ja das ganze Universum wird durch die Zahl repräsentiert.

Da es aber nicht nur diese Zahl gibt, gibt es auch unendlich viele Varianten dieses Universums mit äußerst ähnlichen Personen, im vergleich zur eigenen Person.

Wem das jetzt sehr merkwürdig vorkommt, sollte sich am besten noch mal den Gedankengang und die Annahmen durchlesen.

Vor allem sollte man sich klar machen, dass diese Annahmen schwächer sind, als wenn man fordert, dass neben der Mathematik noch eine physikalische Welt existiert, die davon unabhängig ist.

Diese Vorstellung wäre nämlich genauso seltsam, wie die Vorstellung, dass das Bewusstsein etwas wäre, das außerhalb der physikalischen Welt liegt.

Mit anderen Worten: Ich habe hier rein logisch einen zweiten Dualismus aufgedeckt, den ich genauso behandeln möchte wie den alten Dualismus des Leib Seele Problems. Durch eine Identifikation der physikalischen Beschreibung mit dem zu beschreibenden Phänomen des Bewusstseins wurde das Leib Seele Problem "gelöst". Und durch eine Identifikation der mathematischen Beschreibung mit den zu beschreibenden Naturphänomenen möchte ich gleichermaßen den zweiten Dualismus auflösen.

Diese Identifikation ist in beiden Fällen nicht beweisbar. Sie kann in beiden Fällen nur eine philosophische Grundannahme sein.
Wir werden nie rein logisch oder experimentell beweisen können, dass Hirnprozesse identisch mit Bewusstsein sind.
Es macht aber Sinn, das anzunehmen, weil eine gegenteilige Annahme bedeuten würde, dass wir die Welt komplizierter beschreiben müssen, als es die Evidenzen nahelegen.

Entsprechend mach es Sinn die Physik als eine Teilstruktur der Mathematik zu identifizieren.

Die Konsequenz daraus ist zwar gigantisch, aber logisch notwendig:

Alles ist Zahl. Auch du selbst. Und niemand ist oder war je vergänglich.