Freitag, 3. Juni 2011

Immortalismus - unendliches Leben

Immortalismus hängt stark mit der Frage zusammen, was eigentlich die notwendigen und hinreichenden Bedingungen sind, um vom "Überleben" sprechen zu können. Beschäftigt man sich mit dieser Frage genauer, erkennt man schnell, dass man intuitive Vorstellungen verwerfen muss.
So stellt man fest, dass es nichts gibt, woran man "Selbigkeit" festmachen kann.
Überleben reduziert sich somit auf die Frage nach "hinreichender Gleichheit":
Ist das Individuum i1 zur Zeit t1 hinreichend vergleichbar mit dem Individuum i2 zum Zeitpunkt t2>t1, dann hat i1 in der Zeit von t1 bis t2 überlebt.

Was auch immer man für Bedingungen nennt, an denen man eine "hinreichende Vergleichbarkeit" festmachen will:
Solange man im Rahmen der Naturwissenschaften bleibt, werden es Messgrößen sein und somit Information.

Informationserhaltung ist die fundamentale notwendige Bedingung fürs Überleben.
Darauf aufbauend geht es dann darum, dass auch die Funktion über die Zeit hinreichend vergleichbar bleibt.
Ein Mensch in einer Vollnarkose oder im Koma würde ich nicht als einen Überlebenden ansehen, wenn Funktionalität eine Rolle bei der Definition des Begriffs "Überleben" spielen soll.
Er kann jedoch reanimiert werden. Erst dann sollte man von echtem Überleben sprechen.

Daraus folgt:
Obwohl ein Mensch vielleicht die Zeit von t1 bis t2 nicht überlebt hat, kann er zu einer Zeit t3>t2 wieder lebendig sein = hinreichend genau seine bisherige Funktionalität wieder erreichen.

Damit dies möglich wird, könnte sich einfach Materie zufällig wieder so anordnen, dass ein vergleichbarer Mensch entsteht.
Dies ist jedoch extrem unwahrscheinlich. Als zweite Alternative muss mindestens hinreichende Information erhalten bleiben, um dann mit technischen Methoden die Funktion zum Zeitpunkt t3 wieder herzustellen.

Wenn es keine unendliche Informationserhaltung gibt, dann kann es praktisch keinen Immortalismus geben, außer, dass per Zufall ein vergleichbares Wesen in der Zukunft entsteht.

Nach allem was wir derzeit über die Physik wissen, ist eine unendliche Informationserhaltung nicht machbar. Wenn eine Information in einem Jahr mit einer Wahrscheinlichkeit p verloren geht, so sinkt die Überlebenswahrscheinlichkeit exponentiell schnell mit der Anzahl der Jahre. Daraus folgt: Selbst wenn wir nicht altern würden, würden unsere Überlebenschancen exponentiell gegen null gehen bei Zeit t gegen unendlich.
Um diesem Problem zu entgehen muss man ständig p verkleinern mit der Zeit.
Das geht aber nur, wenn man ständig mehr Sicherheitskopien macht oder wenn man die Sicherheit der vorhanden Information ständig erhöht. Beides geht nur, wenn man immer mehr physikalische Ressourcen verwendet.
Wie ich schon einmal geschrieben habe, würde am Ende die gesamte Milchstraße nicht mehr ausreichen, um die Information dauerhaft zu halten, dass man zwei Nasenlöcher hat.

Dauerhaftes Überleben geht nur mit ständigem Wachstum der Lebenserhaltungssysteme. In dem Augenblick, wo man sich in einem geschlossenem System befindet, würde unweigerlich der zweite Hauptsatz der Thermodynamik zuschlagen und die steigende Entropie würde jede Information killen.

Die informationsreiche Struktur der DNA konnte nur deshalb Milliarden Jahre überleben, weil sie sich auf den ganzen Planeten verbreitet hat. Gelingt dem Leben nicht die die logische Fortsetzung der Verbreitung von der Erde ins All, dann bedeutet das unweigerlich das Ende allen irdischen Lebens.

Da aber auch im Weltall die nutzbare Energie und Materie begrenzt ist, gibt es langfristig so oder so keine Rettung. Immortalismus ist nicht machbar, selbst bei den schwächsten Annahmen, was man unter Überleben verstehen will.

Somit geht es eigentlich nur darum, aus den noch verbleibenden Möglichkeiten das beste zu machen.
Physikalisch gesehen sind wir jedoch derzeit noch weit unter den Möglichkeiten. Es spricht z.B. nichts gegen planetengroße Denkmaschinen. Es spricht auch nichts dagegen, dass man alle 20 Jahre einen neuen Körper im Labor aufwachsen lässt, in dem dann das eigene Hirn transplantiert wird. Es spricht nichts dagegen, dass man die Denkprozesse des eigenen Gehirns in einem Rechner nachbildet und auf diese Weise überlebt. Millionenjahre dauerndes Überleben eines menschlichen Wesens kann somit bei hinreichender Technologie möglich sein.

Ein Irrweg ist jedoch der Gedanke, dass man den Körper durch ständige Reparatur am Leben erhält.
Das würde selbst mit einer Sandburg nicht machbar sein.
Ich will es erst mal damit erklären:
Eine Sandburg hält nur, weil Wasser zwischen den Sandkörnern vorhanden ist.
Dieses Wasser verdunstet jedoch und sickert langsam aber sicher nach unten.
Man muss also ständig verlorenes Wasser in der Sandburg ersetzen - also Stoffwechsel.
Alternativ kann man die Sandburg konservieren (einfrieren oder wasser durch Klebstoff ersetzen) Das würde einige Strukturen zerstören, würde aber die Haltbarkeit wesentlich verlängern. Gehen wir aber von einer Sandburg unter normalen "Lebensbedingungen" aus.

Allein dadurch, dass Wasser in der Burg ständig ausgetaucht wird und somit in Bewegung ist, werden mit der Zeit die Sandkörner abgeschliffen. Man muss also auch die Sandkörner ersetzen. Und da überall Wasser in Bewegung sein muss, wird es kein einziges Sandkorn geben, dass auf Dauer erhalten bleibt.
Nun geschieht der Schaden nicht nur an der Oberfäche, wobei dort wegen Witterung tatsächlich schneller Schaden entsteht. Aber auf Dauer entsteht innerlicher Schaden in der Sandburg. Ganze Wände würden wegbrechen, wenn nicht von innen heraus Reparaturen durchgeführt werden. Somit müsste man mit kleinen Nanomaschinen zwischen den Sandkörnern die Reparaturen durchführen. Diese Nanomaschinen dürfen aber nicht zu zahlreich sein, weil sie sonst das Wasser oder die Sandkörner verdrängen.
Wenn nicht präzise die Form der Sandkörner wiederhergestellt wird, dann wird im Laufe der Zeit die Sandburg auch makroskopisch sich immer mehr verändern. Ohne externe Informationssicherung, wie die Sandburg eigentlich beschaffen ist und aussieht, würde sie nicht auf Dauer zu reparieren sein. Die möglichen Reparaturaktivitäten sind begrenzt wie ich schon sagte. Die Burg kann nur eine gewisse Menge an Nanomaschinen verkraften. Diese Nanomaschinen selbst altern natürlich auch und müssen ständig ausgetauscht werden. Wenn dieser ganze Prozess nicht 100% perfekt abläuft, dann wird die Burg weiter altern. Nanomaschinen haben eine endliche Größe. Sie können nicht immer weiter verbessert werden. Der Fortschritt zur Rettung der Sandburg geht gegen ein Limit, das nicht mehr zu übertreffen ist. Es wird damit keine 100% Reparatur möglich sein.
Somit wird man selbst bei größter Anstrengung es nicht vermeiden können, die Burg einfach noch mal neu aufzubauen, nach den alten Plänen. Dies wird man sogar wesentlich früher machen, als das theoretische Limit erreicht ist, weil der Aufwand, nur durch Reparaturen das System zu erhalten viel zu groß im Vergleich zum Neuaufbau ist.

Die Idee einer ständig besseren Reparatur = ständig optimiertes Anti Aging ist eindeutig widerlegbar.

All das, was ich über die Sandburg erzählt habe, kann man auch auf den menschlichen Organismus anwenden.
Allein aus der Tatsache des Stoffwechsels und somit wegen sich reibender Materie, wird der Organismus auf Dauer zerstört. Eine Reparatur von innen heraus wird zwangsläufig ihre Grenzen haben.
Erstens weil Reparaturbetrieb eine Störung der Körperfunktion ist und zweitens, weil die Anzahl der möglichen körperinternen Nanomaschinen endlich ist.
Austausch von makroskopischen Komponenten ist zwar denkbar, aber keine ultimative Lösung, da das Gehirn nicht ausgetauscht werden kann ohne Minduploading.

Man wird somit auf Dauer auch beim Anti Aging = biochemische Reparatur nicht am Minduploading vorbei kommen. Ohne externe Informationssicherung geht es nicht. Und ökonomisch wird es ohne gelegentliche Neuaufbauten des Gehirns ebenfalls nicht gehen.