Mittwoch, 23. Februar 2011

Eine interessante Bedingung für Fortschritt

Eigentlich wollte ich im letzten Artikel etwas über Kryonik schreiben. Und nun mache ich es schon wieder nicht. Das Thema ist mir zu wichtig und ich werde mir dafür besonders viel Zeit nehmen in diesem Blog. Zeit, die ich momentan nicht habe.

Daher heute ein etwas kleineres Thema, das aber nicht uninteressant ist.

Es ist doch eigentlich erstaunlich, dass Fortschritt überhaupt möglich ist, wenn das Wissen immer mehr anwächst. Denn immerhin sind Menschen noch für Fortschritt notwendig. Und die wissen als Baby heute genauso viel wie die Babys vor tausenden Jahren.

Muss der Mensch daher immer mehr lernen, um überhaupt an den Stand der Forschung heran zu kommen?
Muss ein Biologe, Physiker oder Chemiker heute mehr lernen als vor 50 Jahren, damit er qualifiziert ist, den Fortschritt voran zu bringen? Antwort: Wenn er überhaupt mehr lernen muss, dann nur geringfügig mehr.

Und der Grund ist: Man muss nicht alles wissen, um den Fortschritt voran zu bringen. Das Wissen der Menschheit gleicht einem Baum. Der Stamm dieses Baums ist das, was man als Kleinkind bereits zu Hause lernt oder maximal in den ersten Schuljahren. Aber dann verzweigt es sich bereits und nicht jeder Mensch lernt alles, was die Menschheit weiß. Um vom Stamm zu einem Blatt zu kommen, muss man nicht auf jedem Ast oder Zweig des Baums gewesen sein.

Stellen wir uns einmal vor, mit jeder Generation wird jeder noch so feine Ast am Ende des Baums in zwei Äste verzweigt. Wir beginnen in der ersten Generation mit einem Stamm (1). In der zweiten Generation haben wir den Stamm und zwei Äste. (1+2 = 3). In der dritten Generation haben wir den Stamm und zwei Äste und pro vorherige Äste zwei weitere Äste (1+2+4 = 7). In der vierten Generation haben wir dann 1+2+4+8 Komponenten im "Wissensbaum". Acht äußere Komponenten und 1+2+4 = 7 innere Komponenten. Jede Generation brächte damit mehr neue Komponenten zutage, als alle bisherigen Generationen zuvor.

Bei der 30. Generation hätten wir bereits 2^29 äußere Komponenten und (2^29 - 1) innere Komponenten.

Das sind rund 2^30 -1 = 1 073 741 823  Komponenten.

Angenommen, jede Komponenten wäre einen Meter lang und wir würden sie alle hintereinander legen. Dann hätten wir eine Strecke von über eine Million Kilometer, also mehr als die doppelte Entfernung Erde Mond.

Aber wie weit wäre dann der Weg vom Stamm bis zu einem äußeren Ende des Baums?
Es wären nur 29 Meter!

Und genau aus diesem Grund ist Fortschritt heute überhaupt noch möglich.
Der Baum des Wissens, den die Menschheit sich erarbeitet hat, ist schon lange unmöglich von einem Menschen noch erlernbar. Dennoch kann ein Mensch sich in wenigen Jahren an eine äußere Zone des Wissens vorarbeiten und dort den Fortschritt voran treiben.

So ganz stimmt das Bild vom Baum nicht.  Es breiten sich ja auch Informationen zwischen den äußeren Zonen aus. Ein Chemiker nutzt z.B. physikalische Erkenntnisse. Aber diese Erkenntnisse muss er oft gar nicht im Detail verstehen. Und nicht jeder muss von den Ergebnissen aller anderen etwas wissen, damit der Fortschritt weiter geht. Auch wenn der Einzelne nur begrenzte Möglichkeit hat, wahrzunehmen, was sonst noch passiert, kann im Kommunikationsnetz wichtige Informaton dann eben über mehrere Positionen von A nach B gelangen.

Einige Zweige sind heute nicht mehr interessant. So hat die Frage, wie man am besten vorm Säbelzahntiger flüchtet, sich mittlerweile erübrigt. Aber dennoch: Damit der Baum des Wissens in alle Regionen ausgewogen wachsen kann, muss an vielen vielen äußeren Zweigen gearbeitet werden. Das geht nur, wenn die Menschheit viele viele Menschen hat. Und daher ist eine hohe Weltbevölkerung etwas, was für den Fortschritt von zentraler Bedeutung ist. Zumindest sollten möglichst viele Menschen sich bei den äußeren Komponenten des Wissensbaums befinden. Denn wie ein richtiger Baum so würde auch die Menschheit aussterben, wenn keine neuen "Blätter" produziert werden.